«Wohlstand ist nicht gottgegeben»
07.05.2024 Wirtschaft150 Jahre Wirtschaftsverband AIHK
Mehr als 650 Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie von Behörden und Organisationen folgten der Einladung der Aargauischen Industrie- und Handelskammer zu ihrer Jubiläumsversammlung. Alt-Bundesrat Kaspar Villiger hielt ein spannendes Referat.
BADEN. Die Jahresversammlung der AIHK ist ein Fixpunkt im Kalender der Aargauer Wirtschaft. In diesem Jahr feiert der Wirtschaftsverband, zu dem mehr als 2100 Unternehmen gehören, seinen 150. Geburtstag. Seit 1874 setzt sich die AIHK als Stimme der Wirtschaft für die Aargauer Unternehmen und für einen erfolgreichen Kanton Aargau ein. Neben Unternehmerinnen und Unternehmern nahmen diverse Vertreterinnen und Vertreter der eidgenössischen Räte, der Regierung, des Grossen Rates sowie viele weitere Personen aller politischer Couleur teil. In ihrer Jubiläumsansprache blickte die Präsidentin Marianne Wildi zurück auf wichtige Meilensteine in der 150-jährigen Geschichte. Neben der Wiederwahl von Marianne Wildi wurden an der Generalversammlung auch 17 Mitglieder wieder- sowie 11 Wirtschaftsvertreter neu in den Vorstand gewählt. Mit 29 Mitgliedern – inklusive der Präsidentin – ist das Gremium für die Amtsperiode 2024 bis 2028 breit in der Wirtschaft abgestützt. Landammann Markus Dieth liess es sich nicht nehmen, die Geburtstagswünsche der Regierung persönlich zu überbringen. In seinem Grusswort würdigte er die AIHK als wertvollen Partner des Aargauer Regierungsrates.
Appell gegen neue Leistungsversprechen
Mit dem Jubiläumsreferat von Kaspar Villiger stand ein besonderer Höhepunkt auf dem Programm. Unter dem Titel «Vergangenheit darf man feiern, Zukunft muss man erarbeiten» sprach der frühere Vizepräsident der AIHK darüber, wie sein Weg in die Politik geführt habe, nachdem er als Unternehmer im Verband die Bedeutung der politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft erkannt habe. Den Schwerpunkt legte Villiger jedoch auf den Blick nach vorne. Mit dem Zerfall der globalen Sicherheitsordnung sprach er von drei sich bildenden Werteräumen: ein freiheitlichdemokratischer, ein autokratischetatistischer und ein chaotisch-vielfältiger mit Elementen beider Seiten und unterschiedlichen Mischverhältnissen. Hier gehe es darum, sich auf minimale, aber hinreichend durchsetzbare Regeln des Zusammenlebens zu einigen. Dies, da sich globale Probleme nur gemeinsam lösen liessen. Neben den Problemen, welche die Schweiz wenig beeinflussen könne, sprach Villiger über lösbare innenpolitische Herausforderungen, die durch politische Blockaden unlösbar zu werden drohten. Als Beispiele nannte er den Reformstau, die Polarisierung, der schwächelnde Föderalismus und die wachsende Skepsis der Wirtschaft gegenüber. Ein Reformprogramm müsse vier Ziele haben: den Reformstau auflösen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, die finanzielle Resilienz erhalten und die Verteidigungsfähigkeit des Landes wiederherstellen. Villiger sprach auch davon, wie er die Entwicklung vom Leistungszum Anspruchsdenken mit Sorge beobachte. Dazu erwähnte er das Lancieren von Initiativen mit immer neuen Leistungsversprechen, deren Finanzierung einfach ausgeblendet werde. Dabei sei doch klar, dass für jede zusätzliche Leistung jemand die Rechnung bezahlen müsse. Wohlstand sei nicht gottgegeben, sondern müsse immer wieder neu erarbeitet werden. (mgt/nfz)